Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community. Der Autor ist Richard Marshall, ein Anwalt aus England, der sich auf Kryptowährungen spezialisiert hat.
Die Ansichten in diesem Artikel sind die des Verfassers und entsprechen möglicherweise nicht denen der Binance Academy.
TL;DR
Die dezentrale Natur von Kryptowährungen bringt einige spezielle Herausforderungen im Hinblick auf die Weitergabe der eigenen Kryptowährungen nach dem Tod mit sich.
Du solltest dir Gedanken darüber machen, wie deine Angehörigen deine Kryptowährungen finden und darauf zugreifen können.
Es gibt viele Lösungen, die vom Aufschreiben von Seed-Phrasen über verschlüsselte private Schlüssel bis hin zu sogenannten Totmannschaltern reichen.
Was mit deinen Kryptowährungen nach deinem Tod passiert
Es ist wichtig, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, was im Todesfall mit deinen Krypto-Guthaben passiert.
Mit einer Nachlassplanung kannst du dafür sorgen, dass das Vermögen nach deinen Wünschen an deine Erben verteilt wird. Wenn du jedoch über Kryptowährungen verfügst, stellen sich einige besondere Herausforderungen.
Angesichts der Fülle von Software, Hardware und Kryptobörsen, auf denen Kryptowährungen gehalten werden können, ist das Auffinden der digitalen Assets die erste Hürde.
Und selbst wenn man die Kryptos lokalisiert hat, braucht man zunächst noch die privaten Schlüssel, Seed-Phrasen oder PIN-Nummern, um auf die Mittel zugreifen zu können. Andernfalls könnten die geerbten Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether oder andere Altcoins für immer verloren sein.
Hier erfährst du, wie du als Krypto-Inhaber die Weitergabe deiner Guthaben regelst und als Erbe das Vermögen des Verstorbenen wiedererlangen kannst.
Wie man den Zugang zu Kryptowährungen nach dem Tod sicherstellt
Wer seine Kryptowährungen vererben möchte, sollte frühzeitig planen. Es gibt viele Möglichkeiten, dies zu tun, wobei die gängigsten Lösungen die folgenden sind.
Technisch unkomplizierte Lösungen
Papier und Stift
Du kannst deine privaten Schlüssel und Seed-Phrasen aufschreiben und sicher an einem sicheren Ort aufbewahren, zusammen mit spezifischen Anweisungen, wie man nach dem Ableben auf das Vermögen zugreifen kann. Diese einfache Lösung hat jedoch den Nachteil, dass die Informationen zu Lebzeiten oder nach dem Tod gestohlen, verlorengehen oder zerstört werden könnten.
Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme könntest du diese Informationen in einem Tresor bei einer Bank aufbewahren, die einen Versicherungsschutz anbietet und ein etabliertes Zugriffsverfahren umsetzt, über das deine Erben oder der Testamentsvollstrecker nach deinem Tod Zugang zu den digitalen Assets erhalten.
USB-Stick oder externe Festplatte
Eine Alternative ist, private Schlüssel und Seed-Phrasen auf einem USB-Stick oder einer externen Festplatte zu speichern und diese Informationen mit einem Passwort zu schützen, damit sie nicht in die falschen Hände geraten. Das größte Risiko besteht hier darin, dass das Gerät beschädigt wird, sodass die Daten nicht mehr abrufbar sind. Wenn du diese Methode bevorzugst, solltest du mehrere Sicherungskopien erstellen.
Allerdings musst du die Passwörter für deine passwortgeschützten Dateien an einem sicheren Ort aufbewahren oder speichern, z.B. bei einem Online-Passwortmanager.
Außerdem musst du natürlich dafür sorgen, dass deine Erben wissen, wie sie später sicher auf das Vermögen zugreifen können, ohne einem Hackerangriff oder einem Dieb zum Opfer zu fallen.
Ausgereiftere Lösungen
Verschlüsselte E-Mail
Du könntest die privaten Schlüssel und Seed-Phrasen in einer verschlüsselten E-Mail an einen vertrauenswürdigen Empfänger weitergeben, mit Anweisungen, wie nach dem Tod auf die Mittel zugegriffen werden kann. Hier hängt alles von der Vertrauenswürdigkeit der beauftragten Person ab.
Der Zugriff auf die verschlüsselte E-Mail kann auch über eine Hosting-Website eines Drittanbieters erfolgen, für die unter Umständen ein Kennwort erforderlich ist, um Zugang zu erhalten. Wenn die Website jedoch nicht mehr existiert, können diese Informationen verlorengehen.
Totmannschalter
Du kannst auch einen sogenannten Totmannschalter einrichten, der im Falle deines Todes deine privaten Schlüssel automatisch an deine Erben weitergibt.
Du musst in regelmäßigen Abständen – z.B. wöchentlich oder monatlich – bestätigen, dass du noch am Leben bist, indem du eine E-Mail abrufst oder eine kurze Aufgabe ausführst. Tust du dies nicht, wird der Totmannschalter aktiviert, und die privaten Schlüssel werden automatisch an den von dir bestimmten Empfänger weitergegeben.
Diese Methode hat nur einen großen Nachteil. Vielleicht kannst du deine Anwesenheit auch aus anderen Gründen als dem Tod nicht verifizieren, z.B. wegen Krankheit oder fehlender Internetverbindung. Ein weiteres Problem ist, dass du dem Empfänger der Krypto-Zugangsdaten vertrauen musst, dass er die Kryptowährungen an den vorgesehenen Erben weitergibt, wenn es sich dabei nicht um dieselbe Person handelt. Darüber hinaus kann diese Form der Vermögensübertragung in deinem Land verboten sein.
Wenn du dich für einen Totmannschalter entscheidest, solltest du dich unbedingt von einem Experten beraten lassen, um sicherzustellen, dass die Vermögenswerte auch wirklich bei deinen beabsichtigten Erben landen.
Gemeinsame Wallet-Wiederherstellung über Datenverwahrungsdienste
Du kannst die gemeinsame Wiederherstellung der Wallet („Social Recovery“) über Datenverwahrungsdienste nutzen, wobei du mehrere Vertreter bestimmst, die nach deinem Tod zusammenkommen und die deine Zugangsdaten wiederherstellen.
In der Regel muss der Sterbefall dem Anbieter des Verwahrungsdienstes mit entsprechenden Unterlagen bestätigt werden. Einige dieser Dienste werden auf herkömmlichen Websites gehostet, während andere eine zusätzliche Sicherheitsebene anbieten.
Bei der Nutzung solcher Dienste ist es wichtig, die richtigen Vertreter auszuwählen und angemessene Bedingungen festzulegen. Vorsicht ist geboten, wenn Verwahrungsdienstanbieter die Wiederherstellung der privaten Schlüssel durch die Mehrheit der Vertreter erlauben, ohne dass eine Sterbeurkunde erforderlich ist.
Es ist auch wichtig, klar festzulegen, ob die Vertreter nur die Zugangsdaten erhalten sollen oder ob sie auch erbberechtigt sind.
Smart-Contract-Wallets von Ethereum und Legacy-Wallets
Die Smart-Contract-Wallets von Ethereum sind eine gute Option für die gemeinsame Wallet-Wiederherstellung, da sie Multisignatur-Funktionen bieten. Du kannst eine Multisig-Wallet für dich und deine Erben erstellen, bei der alle Transaktionen von der Mehrheit der Parteien genehmigt werden müssen, auch zu Lebzeiten.
Im Todesfall können die Erben sowie ein oder mehrere persönliche Vertreter des Verstorbenen den Zugang zur Wallet sicherstellen, sodass die Kryptowährungen reibungslos vom Verstorbenen an die Erben weitergegeben werden können.
Es gibt noch weitere Arten von Legacy-Wallets, die so konfiguriert werden können, dass Krypto-Guthaben zu Lebzeiten darauf übertragen und dann in einem Tresor verwahrt werden. Zu Lebzeiten erhält kein Dritter Zugang dazu. Im Todesfall müssen die persönlichen Vertreter eine Sterbeurkunde sowie einen Gerichtsbeschluss vorlegen, aus dem hervorgeht, dass sie zum Zugriff auf das Vermögen des Verstorbenen befugt sind. Anbieter von Tresoren bieten in der Regel einen Versicherungsschutz an.
Wie man Kryptowährungen ins Testament aufnimmt
Es ist ein Unterschied, ob der von dir bestimmte Vertreter nur Zugriff auf deine Kryptowährungen haben soll oder ob er einer der Erben ist. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass Krypto-Vermögen in die Nachlassplanung einbezogen werden.
Die Gesetze jedes Landes schreiben vor, wie Vermögen vererbt werden können. In der Regel geschieht dies durch ein Testament. Da die meisten Länder digitale Testamente nicht akzeptieren und nach wie vor Papiertestamente mit handschriftlicher Unterschrift verlangen, muss sichergestellt werden, dass Nachlässe in Kryptowährungen rechtlich anerkannt werden.
Dies kann geschehen, indem im Testament festgelegt wird, wie die privaten Schlüssel im Todesfall auf die Vertreter übergehen sollen. Wenn die Vertreter nicht die Erben sind, muss auch geklärt werden, wer Anspruch auf den Nachlass hat.
Was im Todesfall mit den auf Kryptobörsen gehaltenen Kryptowährungen passiert
Zentralisierte Kryptobörsen bieten oft Unterstützung bei der Lokalisierung von und dem Zugang zu Kryptowährungen von Verstorbenen.
Wenn der Verstorbene die App der Börse auf seinem Smartphone oder Laptop hatte und das Konto so einrichtete, dass er automatisch angemeldet wird, ist die Identifizierung der Vermögenswerte einfach.
Aber Vorsicht: Der Zugriff auf die Konten von Verstorbenen kann heikel sein. In England zum Beispiel kann dies nach dem Computer Misuse Act 1990 eine Straftat sein. Jede Kryptobörse legt in ihren Nutzungsbedingungen eigene Regeln für die Weitergabe von Passwörtern und die Gewährung des Zugangs an Dritte fest.
Um nicht unwissentlich gegen das Gesetz zu verstoßen, sollte sich der Testamentsvollstrecker mit der Kryptobörse in Verbindung setzen, um sie über den Sterbefall zu informieren und alle relevanten Informationen und Dokumente zu übermitteln. Was dabei zu berücksichtigen ist, steht in der Regel in den Nutzungsbedingungen der Börse. Grundsätzlich sind ein Todesnachweis wie eine Sterbeurkunde und ein Nachweis der Befugnis, den Nachlass des verstorbenen Kontoinhabers zu verwalten, erforderlich. Zum Beispiel kann der Testamentsvollstrecker eine Kopie des Testaments oder eine gerichtliche Vollmacht vorlegen.
Wie Erben auf die privaten Schlüssel zugreifen können
Wer seine Kryptowährungen in Selbstverwahrungs-Wallets, wie z.B. Hardware-Wallets oder Papier-Wallets, aufbewahrt, sollte unbedingt einen Plan erstellen, wie einige wenige vertrauenswürdige Personen nach dem Tod auf die privaten Schlüssel zugreifen können.
Falls dies versäumt wird, findet sich in den meisten Fällen dennoch eine Möglichkeit, Zugang zu den Vermögenswerten zu erhalten. Die Dateien mit den privaten Schlüsseln könnten auf einem der Geräte des Verstorbenen gespeichert sein, oder der Zettel mit den Seed-Phrasen könnte in seinen Notizbüchern oder seinem Tresor gefunden werden. Wenn der Verstorbene jedoch zusätzliche Maßnahmen zum Schutz seiner privaten Schlüssel ergriffen hat, wie z.B. Verschlüsselung oder ein Kennwort, dann wird es sehr viel schwieriger, an die privaten Schlüssel zu gelangen. Dies bedeutet auch, dass die Kryptowährungen des Verstorbenen unwiderruflich verloren sein könnten.
Weitere zu berücksichtigende Aspekte
Bei der Regelung von Krypto-Nachlässen können sich eine Reihe weiterer Fragen stellen, zum Beispiel, ob und von wem Play-to-Earn-Spiele nach dem Tod weitergespielt werden sollen. Darüber hinaus gibt es Kontroversen darüber, wer Anspruch auf Lizenzgebühren aus NFTs oder unfertigen Werken hat, und was passiert, wenn der Verstorbene Krypto-Mining oder DAOs betrieben oder Airdrops durchgeführt hat.
All diese Dinge können in einem Testament geklärt werden, aber alle möglichen Fragen und praktischen Aspekte müssen angemessen berücksichtigt werden.
Abschießende Gedanken
Es ist enorm wichtig, genau zu regeln, wie im Falle deines Todes deine Kryptowährungen lokalisiert und auf sie zugegriffen werden kann. Am besten integrierst du die Krypto-Nachlassplanung in dein Testament. Darüber hinaus gilt es sicherzustellen, dass dein Testament gültig ist und die geplante Weitergabe deiner Kryptowährungen an deine Erben in deinem Land legal ist.
Andernfalls kann es passieren, dass sich deine Erben in komplizierten Gerichtsverfahren um deine Kryptowährungen streiten oder deine digitalen Assets nicht an sie weitergegeben werden können.
Weiterführende Literatur:
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